„Ich fand es merkwürdig, dass Wolfgang immer häufiger da war. Er hatte doch eine eigene, große Wohnung. Und vor allem: Er dachte, er sei gleichberechtigt und könnte hier auch bestimmen. Das war ein Irrtum und ich hatte einen Plan, um ihn wegzueckeln. Das war ganz einfach.“
Kaum etwas ist so herausfordernd wie das Leben in einer Patchworkfamilie. Und gleichzeitig ist es eine große Chance, wenn es gelingt. Kinder, die in funktionierenden Patchworkfamilien aufwachsen, sind oft sozial interessiert und konfliktfähig. Sie entwickeln Flexibilität, Durchsetzungsvermögen und Empathie. Das sind alles Fähigkeiten, die sie in einer sich rasch verändernden Welt gut gebrauchen können.
In den Medien wird uns oft das Bild einer glücklichen und entspannten Familiengemeinschaft vermittelt, die zusammen Weihnachten feiert und in den Urlaub fährt. Jeder, der in einer Patchworkfamilie lebt, weiß, dass das nicht so einfach ist. Patchworkfamilie erfordert Zeit, viel Nerven und Geduld. Und sie erfordert die Bereitschaft der Erwachsenen, an sich zu arbeiten, da man immer wieder mit seinen eigenen Baustellen konfrontiert wird.
Verlieben sich Eltern nach einer Trennung neu, bedeutet das für die Kinder, dass sie sich mit drei oder vier Elternteilen auseinandersetzen müssen. Und dass sie sich die Mutter oder den Vater plötzlich mit jemanden teilen müssen, den sie sich nicht ausgesucht haben. Das macht Kindern Angst und kann dazu führen, dass sie versuchen, den neuen Partner wegzuärgern. Es ist hilfreich, diese Ängste und Strategien als Stiefmutter oder Stiefvater zu verstehen und nicht persönlich zu nehmen, um die Situationen immer wieder zu entspannen. Eine Trennung der Eltern hinterlässt bei Kindern oft tiefe Wunden und es braucht einige Jahre, bis diese langsam verheilen.
Im Folgenden möchte ich fünf Punkte aufzählen, die zum Gelingen einer Patchworkfamilie beitragen können:
1. Geduld
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die wichtigsten Faktoren für ein Gelingen Zeit und Geduld sind. Oft setzen sich die Erwachsenen beim Aufbau einer Patchworkfamilie sehr unter Druck. Das kann bei allen Beteiligten zu großem Frust führen. Für mich war es sehr erleichternd zu wissen, dass der Prozess der Annäherung einige Jahre dauert und dass das Leben in einer Patchworkfamilie mit der Zeit immer besser und selbstverständlicher funktioniert. Fachleute sagen, dass es ca. 4-7 Jahre dauert, bis Kinder einen neuen Erwachsenen wirklich akzeptieren. Und in dieser Zeit muss man sich als Erwachsener die Akzeptanz und das Vertrauen der Kinder verdienen. Das hört sich vielleicht erst mal etwas frustrierend an, kann aber sehr viel Stress aus der Situation nehmen.
2. Frustrationstoleranz
In einer Patchworkfamilie gibt es viel Konfliktpotenzial. Um mit diesen Schwierigkeiten umzugehen, ist es hilfreich, wenn die Erwachsenen über eine gute Frustrationstoleranz verfügen und nicht zu schnell gekränkt sind. Sich mit einem Freund oder einer Freundin außerhalb der Familie auszutauschen, kann einen dabei sehr entlasten. In den ersten ein bis zwei Jahren ist es auch sinnvoll, sich als Ansprechpartner und Unterstützung eine professionelle Begleitung zu suchen, z.B. bei einem Familientherapeuten.
3. Platz für Trauer
Wenn Eltern sich trennen, ist es wichtig, dass die Trauer über die verlorene Familie und das verlorene Lebenskonzept genug Raum bekommt, auch wenn es schon einen neuen Partner gibt. Diese Trauer wird sowohl bei den Erwachsenen als auch bei den Kindern immer mal wieder hochkommen und sie ist keine Bedrohung für die neue Partnerschaft oder die neue Familie. Wenn Eltern sich trauen, mit ihrem neuen Partner darüber zu sprechen, dann steht diese Trauer nicht als etwas Unbekanntes zwischen ihnen.
4. Eine gute Partnerschaft
Eine gute Partnerschaft zwischen Mutter/Vater und neuem Partner ist eine wichtige Grundlage für das Gelingen einer Patchworkfamilie, sozusagen das Fundament. Durch die vielen Bedürfnisse, die in einer Patchworkfamilie unter einen Hut gebracht werden müssen, besteht oft die Gefahr, dass die Partnerschaft zu kurz kommt. Schwierige Situationen, Konflikte und zu wenig Zeit können dazu führen, dass die Nähe in der Partnerschaft verschwindet. Um als Paar genug Zeit zu haben, sich auszutauschen und Konflikte zu klären, kann es bei einem vollen Terminkalender helfen, einmal in der Woche einen festen Paartermin einzuplanen.
5. Der Austausch zwischen den Eltern
Für Kinder ist es schwierig, in zwei Haushalten zu leben. Um sie zu unterstützen, ist es wichtig, dass es eine Brücke zwischen den Eltern gibt. Die Kinder sollten die Möglichkeit haben, zu beiden Elternteilen einen guten Kontakt zu haben. Wenn die Eltern zerstritten sind, fühlen sich die Kinder verantwortlich und befinden sich in einem Loyalitätskonflikt, wodurch viel Unruhe entsteht. Respektieren sich die Eltern, fällt es Kindern leichter, eine gute Beziehung zu den Stiefeltern aufzubauen.
„Mich hat diese Erfahrung mit Wolfgang sehr verändert. Ich war natürlich traurig, als sich meine Eltern trennten. Aber ich habe dann eine wichtige Erfahrung gemacht: Veränderungen – so tragisch und dramatisch sie anfänglich auch sein mögen – können dennoch positiv verarbeitet werden. Diese Erfahrung hat bei mir dazu geführt, dass ich in Krisensituationen ruhiger wurde. Und es hilft mir heute dabei, sowohl im Beruf als auch im Familienleben schwierige Situationen zu meistern.“
Literatur
Wolfgang Krüger/Katharina Münzer, ÜBERLEBEN in der Patchworkfamilie , Noerderstedt 62016.