Wut, Angst, Trauer, Scham, Freude – Gefühle sind Reaktionen auf unsere Erfahrungen und Wünsche. Bei Kindern treten Gefühle sehr unmittelbar und mit aller Wucht auf: sie tanzen vor Freude, werfen sich vor Wut auf den Boden, oder sie weinen, weil sie traurig sind. Kinder kontrollieren ihre Gefühle nicht, sondern leben sie einfach aus. Erst mit der Zeit lernen sie einen differenzierteren Umgang mit ihren Gefühlen. Dafür brauchen sie die Unterstützung von uns Erwachsenen.
Kinder dürfen traurig sein
Wir Erwachsenen denken oft, dass es gute und schlechte Gefühle gibt. Aber Gefühle sind Gefühle und sie sind alle wichtig für uns, auch wenn sie unangenehm sind. Das gilt auch für Gefühle wie Wut, Schmerz oder Kummer. Eltern fällt es oft sehr schwer, auszuhalten, dass ihr Kind traurig oder wütend ist. Unser Impuls ist es, zu trösten, damit so schnell wie möglich alles wieder gut wird.
Damit Kinder ihren Gefühlen nicht hilflos ausgeliefert sind, ist es enorm wichtig, dass sie lernen, dass alle Gefühle zum Leben dazu gehören. Wenn wir es aushalten, dass Kinder traurig, wütend oder frustriert sind, ohne gleich nach Lösungen zu suchen, spüren sie, dass ihre Gefühle richtig und wertvoll sind.
Gefühle spiegeln und begleiten
Wenn wir uns die Zeit nehmen, den Gefühlen von Kindern Raum zu geben, sie zu spiegeln und zu benennen, helfen wir den Kindern, die eigenen Gefühle wahrzunehmen, sie zu unterscheiden und später selbst in eigene Worte zu fassen. Das ist der erste Schritt zur Selbstregulation. Die eigenen Gefühle wahrzunehmen ist eine Voraussetzung dafür, sich in andere Menschen hineinzuversetzen und die Gefühle anderer zu verstehen.
“Den Gefühlen unserer Kinder können wir mir folgenden Elementen des Gefühlsrepertoires begegnen: Präsenz, aufrichtiges und tief empfundenes Interesse, Offenheit und Akzeptanz.” (Dan Svarre)
Bei einem Gefühlssturm ist es wichtig, ruhig und zugewandt zu bleiben und Geduld zu haben. Das ist total anstrengend und kann einen bis an die eigenen Grenzen bringen. Wenn wir es aber schaffen, unser Kind durch einen Gefühlssturm ruhig zu begleiten, ist das ein großes Geschenk für das Kind.
Eltern sind Vorbilder
Kinder lernen zu 90% durch das, was wir ihnen vorleben und zu 10% durch das, was wir ihnen sagen. Wir sind also als Vorbild im Gefühlsmanagement gefragt. Kinder schauen sich von uns ab, wie wir mit unseren Gefühlen umgehen. Eltern dürfen wütend sein, traurig oder frustriert. Wichtig ist nur, dass ich meine Gefühle nicht an den anderen auslasse. Wenn ich sage:”Ich bin gerade so wütend, dass ich dir nicht zuhören kann!” dann zeige ich, dass ich wütend bin, ohne den anderen zu verletzen.
“Sich mit den eigenen Emotionen vertraut zu machen ist der Schlüssel, um die Emotionen Ihres Kindes einordnen und abmildern zu können. Wenn Sie Ihre eigenen Gefühle als unwichtig abtun, werden Sie nicht in der Lage sein, die Emotionen Ihres Kindes angemessen einzuordnen. Wenn Sie hysterisch werden, haben Sie nicht einmal Ihre eigenen Gefühle im Griff, geschweige denn die ihres Kindes.” (Philippa Perry)
Die eigenen Gefühle zu fühlen und zu akzeptieren kann man üben, indem man eine zeitlang mehrmals am Tag kurz innehält und benennt, was man gerade fühlt: „Gerade bin ich traurig/wütend/besorgt/fröhlich/ enttäuscht.“ Sie werden erstaunt sein, wie viele unterschiedliche Gefühle Sie mit der Zeit entdecken. Durch das Wahrnehmen unserer Gefühle bekommen wir einen Bezug zu ihnen. Dies hilft uns, uns immer mehr selbst anzunehmen, wie wir gerade sind.