3 Missverständnisse in der Erziehung

von | 25. August 2020

Am Ende eines entspannten Nachmittags auf dem Spielplatz schlägt Lukas mit voller Wucht seiner kleinen Schwester die Schaufel aus der Hand. Lisa fängt an zu brüllen, Lukas steht daneben und schaut finster. Und die Mutter hat keine Ahnung, warum er das gemacht hat.

Wenn ein Kind sich agressiv verhält, schreit oder sich weigert, etwas zu tun, sind wir oft überfordert und versuchen, eine Erklärung dafür zu finden. Die Erklärung hilft uns, die Situation einzuordnen und Ängste, die vielleicht aufgekommen sind, zu verscheuchen. Wir gewinnen wieder sicheren Boden unter den Füßen. Philippa Perry, eine bekannte Psychotherapeutin aus London, beschreibt in ihrem Buch „Das Buch, von dem du dir wünschst, deine Eltern hätten es gelesen“ drei gängige Erklärungen von „unangemessenem“ Vehalten, die Kindern sehr schaden können.

1) Sie tut das nur, um Aufmerksamkeit zu bekommen

Diesen Satz habe ich schon oft gehört und in der Regel war darin keine Wertschätzung enthalten. Jeder Mensch braucht Aufmerksamkeit! Und wenn ein Kind zu wenig Aufmerksamkeit bekommt, dann kann es sein, dass es unkonventionelle, für uns meistens unangenehme Wege sucht, um genug Aufmerksamkeit zu bekommen. Z.B. wenn ein Kind ein Geschwisterkind bekommt. Die ganze Aufmerksamkeit, die es von seinen Eltern bekommen hat, muss es jetzt teilen. Das kann ein richtiger Schock sein. Damit Kinder nicht etwas Unangenehmes tun müssen, um Aufmerksamkeit zu bekommen, kann man mit ihnen üben, direkt um etwas Aufmerksamkeit zu bitten. Philippa Berry beschreibt in ihrem Buch, wie ihre Tochter oft einen Apfel haben wollte, ohne ihn dann nachher zu essen. Berry bat ihre Tochter, stattdessen um Aufmerksamkeit zu bitten und es landeten viel weniger Äpfel im Müll.

2) Sie sind manipulativ

Babys und kleine Kinder manipulieren ihre Eltern nicht, auch wenn es manchmal danach aussieht. Ich erlebe in meiner Praxis immer wieder Eltern, die sich nicht sicher sind, ob ihr Kind sie mit seinem Verhalten ärgern oder manipulieren möchte. Kinder haben immer einen guten Grund für ihr Verhalten, und den gilt es herauszufinden. Wenn dein Kind sich hinsetzt und weint, wenn du es eilig hast oder es voller Wut um sich tritt, dann hat es in diesem Moment keine andere Möglichkeit, seine Gefühle zu äußern. Auch wir Erwachsenen reagieren nicht immer angemessen, wenn wir wütend sind. „Babys und Kinder sind die Summe ihrer Gefühle und haben noch nicht gelernt, diese Gefühle zu beobachten, herauszufinden was sie wollen und danach zu fragen.“ Die eigenen Gefühle zu artikulieren ist ein langer Lernprozess, bei dem die Kinder die Unterstützung von uns Erwachsenen brauchen. Wir können Kinder in diesem Lernprozess unterstützen, indem wir ihre Gefühle immmer wieder und wieder in Worte fassen. Solange, bis sie ihre eigenen Worte für ihre Gefühle finden.

3) Irgendwas stimmt nicht mit ihnen

Das Kind der besten Freundin schläft schon durch, das eigene wacht mindestens drei mal in der Nacht auf. Durch vergleichen mit anderen Kindern und gut gemeinten Ratschlägen von Verwandten und Freunden haben Eltern oft eine genaue Vorstelllung davon, was ihr Kind zu welchem Zeitpunkt lernen und können sollte. Sich und sein Kind mit anderen zu vergleichen, ist die sicherste Methode, unglücklich zu werden. Es gibt Kinder, die lernen später Laufen als andere, andere Kinder brauchen länger um zu lernen, wie man Konflikte löst und einige Kinder lernen soziale Fähigkeiten langsamer. Was Kinder in erster Linie brauchen, ist das Vertrauen von uns Erwachsenen. Vertraue deinem Kind, dass es das Beste gibt, um zu dem Menschen zu werden, der es gerne sein möchte. Wenn du als Mutter oder Vater das Gefühl hast, irgendwas stimmt nicht mit deinem Kind, überträgt sich diese Sorge auf dein Kind. Denn Kinder haben sehr feine Antennen für die Sorgen und Ängste ihrer Eltern. Auch wenn du diese nicht verbalisierst. Wenn du unsicher bist, ob mit der Entwicklung deines Kindes alles in Ordnung ist, hole dir zu deiner Beruhigung lieber früher als später bei einem Kinderarzt oder einer Familienberatung Hilfe und Unterstützung.

Literatur
Philippa Perry, Das Buch, von dem du dir wünschst, deine Eltern hätten es gelesen, Berlin 52020

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