Letzte Woche entdeckte ich eine Wasserpfütze im Keller. Es war nicht die Waschmaschine, wie ich erst dachte, sondern ein Wasserschaden im ersten Stock, der sich langsam und gründlich ausgebreitet hatte. Deswegen laufen bei uns jetzt fast rund um die Uhr für vier bis sechs Wochen drei Trockengeräte mit Dauerrauschen und extrem trockener Luft. Mit geschlossenen Augen könnte man meinen, man sitzt im Flugzeug.
Corona-Advent mit Dauerrauschen, Löchern in den Wänden und abgerissenen Tapeten ist schon ziemlich gewöhnungsbedürftig. Immer wieder taucht Frust bei mir auf und der Gedanke, dass ich das nicht mehr aushalte. Am Besten gelingt es mir, mit der Situation umzugehen, wenn ich innehalte und mir bewusst sage: „So ist es dieses Jahr!“ Und alle Vorstellungen, wie es sein könnte oder sollte, loslasse. Dann bin ich im Hier und Jetzt und Ruhe und Frieden breiten sich in mir aus.
Meine Vorbereitung auf Weihnachten 2020
Vor drei Jahren wohnten wir ein Jahr lang in Jerusalem. Obwohl dort nur wenige Christen leben und deshalb Advent und Weihnachten im öffentlichen Leben keine Rolle spielen, war die Adventszeit wunderschön und stimmungsvoll mit Weihnachtsmarkt in der evangelischen Kirche in der Altstadt, einer koscheren Adventsfeier und Tannengirlanden aus Plastik, die fast aussahen wie echt.
Dann kam Weihnachten: um uns herum ganz normaler Alltag, die Geschäfte hatten offen, die Menschen gingen zur Arbeit. Wir wollten nachts mit den Benediktinermönchen nach Bethlehem wandern, darauf hatte ich mich riesig gefreut! Und dann wurde es sehr anders, als ich mir das vorgestellt hatte: Jerusalem liegt sehr hoch, es regnete und stürmte fast die ganze Zeit und es war eisig kalt. Der Weg ging nicht romantisch über die Felder, sondern die meiste Zeit an einer großen, befahrenen Straße entlang. Am Checkpoint sahen wir Menschen, die schon um vier Uhr zur Arbeit gingen, um rechtzeitig am nächsten Morgen in Jerusalem zu sein. Es war abenteuerlich, aber nicht weihnachtlich. Als wir nach drei Stunden völlig durchnässt und durchgefroren in Bethlehem ankamen und in einer Grotte der Geburtskirche zusammenstanden, wurde es plötzlich Weihnachten. Ganz anders als sonst und sehr intensiv.
Don’t fight reality
Die Erinnerung daran hilft mir, mich auf die kommenden Wochen einzulassen und neugierig zu sein. Es wird sicher vieles anders werden als sonst. Wenn wir das akzepieren und uns darauf einlassen, sind wir nicht mehr Opfer der Umstände, sondern reiten auf der Welle, anstatt von ihr überrollt zu werden.
In vielen Zeitungen und Gesprächen wird darüber diskutiert, was die momentane Situation mit den Kindern macht. Wir können viele der äußeren Umstände nicht ändern. Doch was wir beeinflussen können, ist unsere innere Einstellung, unsere Haltung, wie wir mit den Herausforderungen umgehen. Finden wir unsere innere Ruhe und unseren Frieden, hat das einen großen Einfluss auf das Wohlergehen der Kinder.
„Don’t fight reality“ – diesen Satz habe ich in einem Interview mit Sabrina Fox gehört. Wir Erwachsenen können unseren Kindern in den nächsten Wochen keinen besseren Gefallen tun, als uns immer wieder dazu aufzuraffen, die Situation so anzunehmen, wie sie ist, und offen für das zu sein, was kommt. Wenn wir diese Haltung haben, überträgt sich das auf die Kinder und es wird eine besondere Zeit, die sie nicht mehr vergessen werden.
Ich wünsche Ihnen von Herzen eine gesegnete Weihnachtszeit 2020!